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Brief von Major Udo Nagels (SpezPiKp 600 Ingolstadt) vom Hilfseinsatz in Bosnien an Bürgermeister Ostermeier |
Sehr geehrter Herr Ostermeier, nun endlich komme ich dazu, mich bei Ihnen zu melden. Ich bedanke mich im Namen der Bürger von VUKANOVICI und der Soldaten der Feldlagerbetriebskompanie ganz herzlich für die Hilfsgüter, die uns aus BÖHMFELD zugegangen sind. Hilfsgüter aus Böhmfeld sind in Vucanovici angekommen Am Dienstag dieser Woche waren wir mit einer größeren Abordnung der Kompanie in VUKANOVICI und hatten das Vergnügen in dankbare und strahlende Kinderaugen zu blicken. Die Spielsachen des Kindergartens wurden komplett ausgetauscht, so dass die Kinder die bisherige Ausstattung mit nach Hause nehmen konnten. Die Fahrzeuge und Traktoren sind besonders gut angekommen; die Fahrräder werden derzeit noch einmal "generalüberholt" und werden zu einem späteren Zeitpunkt übergeben. Für die Kinder war es wie Weihnachten und Ostern auf einmal. Eine zehnköpfige (!) Familie wurde mit Kinder-/Babykleidung ausgestattet, eine Familie mit einem dreijährigen, einem eineinhalbjährigen Kind sowie neugeborenen Zwillingen konnte ebenfalls mit Kinder-/Babykleidung und Babynahrung unterstützt werden. Diese beiden Familien wurden in Absprache mit Kindergärtnerin und Pfarrer ausgesucht. Des weiteren ist jeweils ein Kontingent an Kleidung und Schuhen als feste Ausstattung an den Kindergarten sowie an den Pfarrer zur weiteren Verteilung an Bedürftige übergeben worden. Zwei Tage später waren wir wieder in VUKANOVICI. Als die Mutter der Zwillinge das Fahrzeug mit unserem Spieß die Hangstraße heraufkommen sah, lief sie mit einem ihrer Säuglinge sofort vor die Haustür, um ihr Kind in neuem "Outfit" stolz und dankbar vorzustellen. Die Zukunft des Kindergartens in VucanoviciDabei lege ich persönlich die uneingeschränkt erste Priorität auf "unseren" Kindergarten in VUKANOVICI. Denn dort wachsen 24 Kinder verschiedener Ethnien gemeinsam auf und lernen miteinander zu leben. Dieses "Miteinander-Leben'' wird durch die Bürger dieser "gemischten" Gemeinde gefördert - nicht hingegen durch die dafür verantwortliche Stadt KAKANJ. Dort gibt es aktuell das Bestreben zweier politischer Parteien, Rücksiedlungen von Kroaten in diese muslimisch dominierte Stadt zu verhindern. Es wird mit Teilen aktiv gegen ein Miteinander gearbeitet. Aus diesem Grunde stehe ich einer Förderung des Kindergartens VUKANOVICI uneingeschränkt positiv gegenüber, habe aber Vorbehalte gegen eine Förderung aller Kindergärten der Stadt KAKANJ, solange die o.a. politischen Bestrebungen manifest bleiben. Sollte es mir nicht gelingen, vor Ort eine Hilfsorganisation zu finden,
die eine kontinuierliche Unterstützung gewährleistet, beabsichtige ich, zunächst durch
eigene Initiative den Fortbestand des Kindergartens sicherzustellen (durch Spenden von
Soldaten der Kompanie). Des weiteren möchte ich den ortsansässigen Pfarrer Branko, der
mein uneingeschränktes Vertrauen hat, für die weitere Venvaltung der Finanzen für den
Unterhalt von Kindergarten und Kindergärtnerin in die Pflicht nehmen. Dazu strebe ich an,
meine Kompanie in INGOLSTADT für eine Patenschaft mit dem Kindergarten zu gewinnen. Es
würde mich freuen, wenn unsere Böhmfelder sich ebenfalls für diesen guten Zweck
weiterhin engagieren würden, sollte es mir nicht gelingen eine dauerhafte Hilfe vor Ort
zu finden. |
- Die Zukunft des Kindergartens liegt leider zur Zeit noch in der Schwebe. Bislang wurden die drei Kindergärten der Stadt KAKANJ, zu der VUKANOVICI gehört, durch das "Comitato di BERGAMO" aus ITALIEN finanziert. Trotz mehrjährigen Drängens dieser italienischen Hilfsorganisation, sowie Hinweisen, dass die Stadt diese Kosten in Zukunft selbst übernehmen muss, gibt und gab es seitens des Rathauses KAKANJ keinerlei erkennbare Bemühungen, die Finanzierung der Kindergästen sicherzustellen. Die Stadt BERGAMO hat die Unterstützungszahlungen mit dem Monat Juli dieses Jahres eingestellt. Damit der Kindergarten in VUKANOVICI zunächst weiterhin existieren kann, trägt derzeit die Feldlagerbetriebskompanie das Gehalt der Kindergärtnerin. Normalerweise beträgt dieses 300,- DM. Zunächst wurden am Dienstag, dem 07. September 250,- DM durch die Vertrauensperson der Mannschaften, Herrn Stabsgefreiten Hering von der FlaRakGrp 23 aus OBERSTLMM, im Beisein von unserem Spieß, Pfarrer Branko und mir selbst, übergeben. Wir versuchen derzeit über mehrere Hilfsorganisationen dauerhafte
Hilfe für VUKANOVICI zu bekommen. Unser hiesiger Kommandeur des Logistikbataillons, Herr
Oberstleutnant Simons aus KÜMMERSBRUCK, ist bestrebt über die
"Flfie-Wörner-Stiftung'' in SARAJEVO Unterstützung zu erreichen. Ein Besuch von
Angehörigen der Deutschen Botschaft am Donnerstag dieser Woche, mit dem stellvertretenden
Botschafter Dr. Winkelmann an der Spitze, in dieser Gemeinde, ließ keine Hoffnung für
eine kontinuierliche Hilfeleistung aufkommen. Der Bürgermeister der Stadt KAKANJ selbst
steht unserer Unterstützungsleistung zudem negativ gegenüber. Nach aktuellen
Informationen vom heutigen Tage ist beabsichtigt, alle drei Kindergärten zu schließen.
Am kommenden Dienstag habe ich persönlich einen Termin mit dem
"Kindergartendirektor" der Stadt KAKANJ und beabsichtige dabei zu erreichen,
dass zumindest der Kindergarten VUKANOVICI mit unserer Hilfe überleben darf. Darüber
hinaus bin ich bemüht, eine Lösung für alle drei Kindergärten mit den dazugehörigen
insgesamt fünf Kindergärtnerinnen zu finden.
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Das war jetzt viel Information zu unserer
Patengemeinde hier im Einsatzland. Die Verbindung zu VUKANOVICI steht natürlich nicht im
Schwerpunkt des Auftrages der Feldlagerbetriebskompanie hier in RAJLOVAC. Es ist vielmehr
eine Randerscheinung, die uns Soldaten verdeutlicht, warum wir eigentlich hier sind.
Daraus erwächst der Großteil der Motivation zu unserem Einsatz in BOSNIEN.
Natürlicherweise sehnt sich langsam aber sicher jeder Einzelne wieder nach zu Hause.
Dieses werden wir in Teilbereichen mit anderen Augen sehen, wenn wir zurückkehren. Das
Leben im Feldlager RAJLOVAC bietet alles Wesentliche und fordert zugleich Entbehrungen. So
sind das Leben in einem Container, sechseinhalb Tage Dienst pro Woche und ständige
Erreichbarkeit rund um die Uhr für die Probleme im Lager und der Soldaten der Kompanie,
um nur einige Beispiele zu nennen, sehr fordernd für alle. Den Luxus, den das
"richtige" Leben in Deutschland bietet, werden alle nach Rückkehr mit anderen
Augen sehen und anders genießen können, als dies vor dem Einsatz war. |
Wasseraufbereitung
Die Wasseraufbereitungsgruppe betreibt im Feldlager zwei Wasseraufbereitungsanlagen, um Trinkwasser nach deutscher Norm für die Küchen und das Feldlazarett zu liefern. Täglich werden hier im Schichtbetrieb durchschnittlich knapp 100.000 Liter Trinkwasser aufbereitet. Je nach Bedarf arbeiten die Schichten von früh morgens um 6 Uhr bis teilweise gegen Mitternacht. Auch für die Versorgung mit Trinkwasser, ist der Anschluss an das bosnische Netz vorgesehen. Vertragsgrundlagen gibt es hier noch keine, doch bestehen bereits Angebote bosnischer Firmen. Kritisch ist derzeit noch das Verlegen einer Wasserleitung in das Lager hinein, da das Lager nahezu ausnahmslos von Minenverdachtsflächen umgeben ist. Neben der Trinkwasseraufbereitung überwacht diese Gruppe die Qualität des Brunnenwassers, das als Brauchwasser verwendet wird. Mittels Chlordosiereinrichtungen unmittelbar an den Brunnen wird sichergestellt, dass keine Krankheitserreger im Brauchwasser sind. An Brauchwasser werden bis zu 1.000.000 Liter täglich gefördert. DekontaminationDie Hygiene ist ein immens wichtiger Bestandteil der Gesunderhaltung der Soldaten im Feldlager. Keime und Krankheitserreger können leicht in den Sanitäreinrichtungen übertragen werden. Um dieses Risiko so gering wie möglich zu halten, desinfiziert die Dekontaminationsgruppe regelmäßig alle Sanitäranlagen im Lagerbereich. Werden Fahrzeuge und Großgerät nach Deutschland zurückgeliefert, so sind diese vor Verlassen des Einsatzlandes feinzureinigen und zu desinfizieren, um zu gewährleisten, dass keine Krankheitserreger vom BALKAN auf diesem Weg nach Deutschland gelangen. Die Desinfektion findet in der Regel am Adria-Hafen PLOCE statt. Von dort werden Fahrzeuge und Großgerät auf dem Seeweg ins Heimatland gebracht. Da die Logistische Basis und das Außenlager in FILIPOVICI nicht einmal
über eine fest eingerichtete Brauchwasserversorgung verfügen, hat diese Gruppe des
weiteren die Aufgabe, den Bedarf durch Wassertransport zu decken. |
Betriebstofftrupp
Und als letzten Trupp dieses Zuges gibt es den Betriebstofftrupp. LKW's mit Tankaufsatzbehältern fahren mehrmals täglich vor allem Stromaggregate an, um diese mit Dieselkraftstoff nachzutanken und so die ständige Einsatzbereitschaft des Stromnetzes hier im Lager sicherzustellen. Hauptauftrag dieses Zuges ist der Betrieb des Feldlagers RAJLOVAC. "Nebenbei" werden die Logistische Basis im Einsatzland (4 km entfernt), das Außenlager MOSTAR (ca. 130 km entfernt) und das Außenlager FILIPOVICI (ca. 90 km entfernt) mit betreut. Teile des Zuges sind ständig rund um die Uhr in Bereitschaft. BetriebszugDer zweitgrößte Zug ist der
Betriebszug. Im Rahmen der Brauchwasserversorgung liegt die Verantwortung beginnend bei
den Pumpen dreier Brunnen, über das gesamte Wasserversorgungsnetz bis hin zu allen
Entsorgungsleitungen und dem Kanal. Des weiteren wird hier alles
"gehandwerkelt", was es im Lager zu werkeln gibt. Schlosser, Maurer, Zimmerer,
Betonbauer und andere leisten hier ihr Handwerk und halten das Lager lebensfähig. Im
Schwerpunkt werden derzeit Vorbereitungen getroffen, um das Feldlager RAJLOVAC, die
Außenlager MOSTAR und FILIPOVICI sowie die Logistische Basis winterfest zu machen, bzw.
die Winterfestigkeit zu erhöhen. Auch dieser Zug stellt mit Teilen eine
24-Stunden-Bereitschaft sicher, um permanent in Notfällen handlungsfähig zu sein. |
Spezialpionierkompanie 600
Wenn es brennt, kommen die Spezialisten der Spezialpionierkompanie 600 zum Einsatz. Die Brandschutzgruppe kam bislang glücklicherweise nur zu einem einzigen größeren Einsatz. Mitte August wurden unsere Feuerwehrmänner nachts um 3 Uhr alarmiert, weil eine Betreuungseinrichtung brannte. Gemeinsam mit der Dekontaminationsgruppe; die zusätzlichen Löschwassertransport sicherstellte, sowie der Heeresfliegerfeuerwehr der deutschen und italienischen Heeresflieger konnte der Brand nach dreistündigem Einsatz endgültig gelöscht werden. Menschen kamen bei diesem Brand nicht zu Schaden. Zugleich deckt die Feuerwehr die Ölwehr im Lager sicher. Auch bei kleineren Ölunfällen wird eine Bestandsaufnahme gemacht, um Sofortmaßnahmen einzuleiten und somit Umweltschäden zu vermeiden. Die Brandschutzgruppe steht 24 Stunden am Tag in Bereitschaft. Nebenbei verstärken unsere Feuerwehrmänner die Feldwäschereigruppe beim Betrieb der Wäschereien "Clementine" und "Hexenkessel". FeldwäschereiDamit bin ich bei der letzten
Einsatzteileinheit der Feldlagerbetriebskompanie, der Feldwäschereigruppe. Im
Schichtbetrieb wird in unseren beiden Wäschereibereichen die Leibwäsche von
durchschnittlich 1700-1800 deutschen Soldaten gewaschen. Zu Stoßzeiten ist die Auslastung
so groß, dass die Maschinen an einigen Tagen erst in der Früh um 2 Uhr zum Stehen
kommen. Nur sonntags wird nicht gewaschen. An diesem Tag werden intensive Pflege- und
Wartungsarbeiten an den Maschinen durchgeführt, um die Einsatzbereitschaft zu
gewährleisten. |
Geführt werden diese Züge und Gruppen der insgesamt 94 Soldaten starken Kompanie durch eine Kompanieführungsgruppe, die ihrerseits ihre Einsatzzentrale rund um die Uhr besetzt hält. Geplant wird hier nebenbei die vorgesehene Reduzierung der Gesamtstärke der SFOR-Kräfte, die sogenannte Restrukturierung, für den Bereich des Feldlagerbetriebs. Beabsichtigt ist dann, einhergehend mit einer Verringerung des gesamten deutschen Kontingentes in den nächsten Monaten (voraussichtlich beginnend im Dezember), die Feldlagerbetriebskompanie auf die Größenordnung einer Feldlagerbetriebsstaffel mit ca. 60 Soldaten zu reduzieren. Soweit zu dem in groben Zügen, welche Aufgaben hier wahrgenommen und erfüllt werden müssen. Ich hoffe, meine Ausführungen helfen Ihnen, einen etwas umfassenderen Einblick in diesen Teil des Auslandseinsatzes der Bundeswehr zu bekommen. Ich würde mich freuen, wenn sich unsere Böhmfelder in gewohnter Weise ins Internet und an die Lokalpresse wenden würden, damit auch die Angehörigen der im Raum INGOLSTADT wohnhaften Soldaten über diese Quellen erfahren können, welche Aufgaben wir hier zu bewältigen haben. Mit freundlichen Grüßen von allen an alle aus RAJLOVAC, Ihr Major Udo Nagels |
(alle Bilder von Major Nagels) |
Mehr über den Verein
"Aus eigener Kraft" Hilfe für Bosnien und Herzegowina e.V.:
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