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Bebauungsplan Ortskern

Die vorgezogene Bürgerbeteiligung

Ein Bericht von der Informationsveranstaltung am 13.10.01 von Anneliese Siebendritt


Durchsetzung der Bebauungspläne "Ortskern" stellt Gemeinderäte vor harte Zerreißprobe

Beschallungsprobleme und unsachlicher Widerstand machten die frühzeitige Unterrichtung der Bürger zum Fiasko / Planentwürfe werden nun vier Wochen lang zur Einsichtnahme öffentlich aufgelegt
 

Der individuelle Ortscharakter mit seinen Freiräumen sind Vorteile, die Alteingesessene und Zugezogene im Böhmfelder Dorfkern zu schätzen wissen. Doch der Siedlungsdruck der Großstadt Ingolstadt ist auch in Böhmfeld spürbar und wird sich künftig noch verstärken. Dass dabei privates Interesse an wirtschaftlicher bis maximierter Verwertung von Grundeigentum geweckt wird, ist nachvollziehbar. Ob dies dann auch dem öffentlichen Interesse einer geordneten Entwicklung und angemessenen Bedarfsdeckung entspricht, ist fraglich. Um einer mittel- und langfristigen Verstädterung vorzubeugen, haben sich die Böhmfelder Gemeinderäte nach reiflicher Überlegung vor fast zwei Jahren dazu entschlossen, die zukünftige bauliche Entwicklung im bisher noch unbeplanten alten Dorf mit seinen zumeist übergroßen privaten Grundstücksflächen per Aufstellung eines Bebauungsplanes im ortsverträglichen Maße zu steuern.

Baudirektor Leo Mittermüller vom Landratsamt Eichstätt gratulierte dem Gemeindegremium nach genauer örtlicher Inaugenscheinnahme in einer der letzten Gemeinderatssitzungen zu diesem Vorhaben und zu den beabsichtigten Kriterien, und auch der Baufachmann der Verwaltungsgemeinschaft Eitensheim, Alfred Regler, begrüßte den Entschluss der Gemeinderäte ausdrücklich. Unabhängig voneinander warnten bei verschiedenen Gelegenheiten sowohl Baudirektor Leo Mittermüller als auch der Planersteller, Diplomingenieur Dietmar Lüling von der Architektengruppe 4 Ingolstadt, vor "Murkserei" bzw. einem "Saustall", wenn weiterhin auf eine Beplanung des alten Dorfes verzichtet werde.

 

 

Die Bebauungspläne "Ortskern West" und "Ortskern Südost" befinden sich momentan noch im Vorentwurfsstadium. Bürgermeister Alfred Ostermeier und Gemeinderat Johann Schimmer haben von Anfang an bei beiden Plänen aus Befangenheitsgründen weder ein Beratungs- noch ein Abstimmungsrecht.

Beratungs- und Abstimmungsleiterin für den Bebauungsplan "West" ist zweite Bürgermeisterin Seraphina Regensburger. Bei der Beschlussfassung für den Vorentwurf des Bebauungsplanes "West" Mitte August 2001 votierten die Gemeinderäte Manfred Czekalla (CSU/UW), Johann Dieling (CSU/UW), Max Mackle (SPD/FW), Martin Nadler jun. (SPD/FW), Andrea Ponschab (CSU/UW), Seraphina Regensburger (SPD/FW) und Josef Sterzl (SPD/FW) für den Plan. Karl-Heinz Nieberle (CSU/UW) war dagegen. 

 

 

Gemeinderat und CSU-Fraktionsvorsitzender Michael Bauer, in nahezu allen diesbezüglichen Sitzungen einer der eifrigen Verfechter der Bebauungspläne, fungiert als Sprecher für den Teil "Südost". Seiner Meinung schlossen sich bei der Abstimmung die Gemeinderäte Martin Bast (SPD/FW), Manfred Czekalla (CSU/UW), Max Mackle (SPD/FW), Peter Neuner (CSU/UW) und Josef Sterzl (SPD/FW) an. Lediglich Karl-Heinz Nieberle (CSU/UW) brachte seine Vorbehalte gegen den Planvorentwurf "Südost" auch bei der Beschlussfassung zum Ausdruck.

Im Zuge des Aufstellungsverfahrens erfolgte kürzlich in Abwesenheit des Bürgermeisters Alfred Ostermeier, der zurzeit eine Kurmaßnahme wahrnimmt, im Böhmfelder Sportheim die frühzeitige Unterrichtung der betroffenen Bürger.

"Ziel des Bebauungsplanes ist es, den dörflichen Charakter Böhmfelds, der wesentlich durch Gebäudetyp und -stellung sowie durch die bauliche Dichte und gute Durchgrünung bestimmt wird, zu erhalten", stellte Architekt Dietmar Lüling vor zahlreich erschienenem Publikum klar. Dabei werde möglichst große Gestaltungsfreiheit des Einzelnen gewährleistet.

Zweite Bürgermeisterin Seraphina Regensburger unterstrich, dass noch während der Planaufstellungsphase zusammen mit den Eigentümern auf jedes einzelne Grundstück gesondert eingegangen und die jeweilige Situation berücksichtigt werde.

 

 

Mittelfristig stehe ein Besitzerwechsel bei den alten Bauernhöfen an, erinnerte der Architekt. Es sei zu erwarten, dass durch die in den Bebauungsplänen "Ortskern" enthaltenen baurechtlichen Sonderregelungen Nutzungsänderungen von landwirtschaftlichen Gebäuden erleichtert werden und dadurch die Möglichkeit geboten und genutzt werde, diese Gebäude weitgehend zu erhalten. Noch aktiven Landwirten und kleineren Handwerksbetrieben solle im Mischgebiet genügend Freiraum zur Verfügung stehen, ohne dass die Wohnqualität gemindert wird. Die zusammenhängenden extensiv bewirtschafteten und sowohl ökologisch als auch für das individuelle Dorfbild Böhmfelds hochwertigen privaten Gärten und Grünflächen, die - teils ohne Wissen ihrer Besitzer - Außenbereiche im Innenbereich sind und folglich für eine Wohnbebauung nicht herangezogen werden können, sollten ihre bisherige Funktion nicht verlieren. Vorhandenes Baurecht werde nicht angetastet. 

Privilegien wie Bestandsschutz und Grenzbebauung eröffneten eine optimale Nutzung der bebaubaren Areale. Nicht unerheblich für die Bauherren im Ortskern sei, machte Lüling deutlich, dass durch eine Beplanung des Ortskerns bei künftigen Bauanträgen erhebliche Prüfungs- und Genehmigungskosten eingespart werden könnten.

Beschallungsmängel sowie überwiegend unsachliche und lautstarke Polemik Einzelner, Hohngelächter bis hin zu offenen Drohungen wie "Nächstes Jahr ist Wahl, dann wissen wir, was zu tun ist!" und der direkte Aufruf zum geschlossenen Widerstand erschwerten es dem Architekten und den Gemeinderäten, ihre Argumente vernünftig an den Mann bzw. die Frau zu bringen und Fragen angemessen zu beantworten.

 

 

"Die Gärten machen uns nur unnötige Arbeit und hineinbauen dürfen wir nicht", wurde geklagt - in der irrigen Ansicht, die Außenbereichsflächen ohne Beplanung als Bauland nutzen zu können. "Sie machen uns zu einem Bauerndorf, das wir längst nicht mehr sind", beschimpften andere den Architekten und beschäftigten sich gleichzeitig mit der Frage, ob man in die Grünflächen wenigstens landwirtschaftlich privilegierte Gebäude stellen dürfe. Manche befürchten als Folge der Bebauungspläne sogar eine "Abwanderung der Jugend" und eine "Vergreisung des Dorfkerns". Mit auswärtigen Bauträgern habe man nichts am Hut, doch zumindest die Kinder sollten alle Möglichkeiten haben, war zu hören. "Fragt doch die betroffenen Bürger bevor ein solches Vorhaben in Angriff genommen wird, ob sie es überhaupt wollen, dann könnt ihr viel Geld sparen", machten sich ganz Gewiefte stark.

 

 

Schließlich wollte man den Planersteller Lüling gar zur Unteren Baubehörde in Eichstätt schicken, damit er seine eigenen Pläne dort unliebsam mache. "Ich stehe auch persönlich zu dem, was ich zusammen mit dem Gemeindegremium ausgearbeitet habe, und ihre Bürgervertreter, mit deren Entscheidung sie jetzt so unzufrieden sind, haben sie immerhin demokratisch gewählt", wehrte sich der Diplomingenieur gegen die dreisten Wortführer.

Unverhohlener Triumph keimte auf, als sich der CSU/UW-Gemeinderat Michael Bauer spontan zu der Äußerung verstieg, dass - wenn sich die Anlieger einig seien - er sich eine weitergehende Nutzung der zusammenhängenden Außenbereichsflächen südlich der Schelldorfer Straße vorstellen könne.

"Eine aus fachlicher und baurechtlicher Sicht völlig unhaltbare Aussage", hielt Architekt Lüling sichtlich verärgert dagegen. "Im Gemeindegremium nie beabsichtigt und indiskutabel", konterte - weil sich zweite Bürgermeisterin Regensburger trotz mehrer Anläufe nicht mehr durchsetzen konnte - sein SPD/FW-Gemeinderatskollege Johann Schimmer stellvertretend für seine ob des Tumults kopfschüttelnden Mitstreiter aus beiden politischen Lagern. Im Übrigen gebe es keinerlei Grund zur Panik, da man mit den Bebauungsplänen erst am Anfang sei, weitere Bürgerbeteiligungen bevorstünden und somit im noch bevorstehenden Aufstellungsverfahren sehr wohl noch sinnvolle Anregungen und auch Einzelwünsche Niederschlag finden könnten, versuchte Schimmer zu besänftigen.

 

 

Zwar signalisierte Planungsfachmann Lüling Verständnis für die wirtschaftlichen Interessen der Grundstückseigentümer, versuchte aber - abgesehen von der nach wie vor gegebenen Unbebaubarkeit von Außenbereichsflächen und dem unwiederbringlichen Verlust wertvollen privaten Grüns - aufzuzeigen, warum es ein Unding sei, überlange Grundstücke wesentlich weiter als bis zu 40 Metern Tiefe ab der öffentlichen Verkehrsstraße und den Versorgungsleitungen oder über die zweite Reihe hinaus mit Häusern vollzupfropfen: Die Folge seien vor allem eine unverträgliche Vielzahl unwirtschaftlicher, problembeladener privater Erschließungsstraßen mit ungenügenden Fahrbahnbreiten - etwa für Lösch- und Rettungsfahrzeuge - und mit mangelhaften Park- und Wendemöglichkeiten - weil dabei viel Fläche verloren geht - sowie Störungen der bestehenden Wohnqualität, wenn sich beispielsweise der Anliegerverkehr ausgerechnet an der begehrten Südseite abspielt.

Alle Grundstückseigentümer in den Planbereichen haben nun die Möglichkeit, die vierwöchige öffentliche Auslegungsfrist der Planvorentwürfe, die noch extra angekündigt wird, wahrzunehmen und ihre Anregungen und Einwände mündlich oder schriftlich vorzubringen. Gleichzeitig werden die Träger öffentlicher Belange um ihre Stellungnahme gebeten.

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Stand: 07. November 2001