Vogelwarte Radolfzell
Max-Planck-Institut für Ornithologie
Max Planck Institute for Ornithology •
Seewiesen • http://www.orn.mpg.de
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Information:
Vogelgrippe und Vögel im heimischen
Garten
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Dr. Wolfgang Fiedler
Tel.: 00 49-(0) 7732 / 1501-60
Fax: 00 49-(0) 7732 / 1501-69
fiedler@orn.mpg.de
Stand: 22. Februar 2006
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Leider kommt es im
Zusammenhang mit der Angst vor der Vogelgrippe derzeit immer
wieder zu vollkommen überzogenen und unvernünftigen Reaktionen
gegenüber der heimischen Vogelwelt. Bedingt durch die große
Verunsicherung in der Bevölkerung wird leider oft übersehen,
dass wir es bei der Vogelgrippe mit einer Krankheit zu tun
haben, die Vögel befällt und daher in erster Linie von Vögeln
selbst und – aus wirtschaftlichen Gründen – von den Menschen
gefürchtet werden muss, die ihr Geld mit der Geflügelhaltung
verdienen. Für die übrige Bevölkerung besteht keine
realistische Gefahr. Das derzeit in Diskussion stehende
Vogelgrippevirus H5N1grassiert seit 1997 im Lebensraum von
mehr als einer Milliarde Menschen und hat dennoch in dieser
Zeit weltweit weniger als 200 Menschenleben gekostet. In
derselben Zeit starben alleine in Deutschland 63.000 Personen
im Straßenverkehr und rund 100.000 Personen an den
Grippeformen, die speziell den Menschen und nicht die Vögel
befallen. Derzeitige Vertreibungsaktionen gegenüber Vögeln
sind also völlig unverhältnismäßig, unangebracht und darüber
hinaus auch illegal.
Im Zusammenhang mit der
Vogelgrippe wird von Fachleuten eine so genannte Pandemie,
also eine Erkrankung sehr vieler Menschen, für denkbar
gehalten. Diese Pandemie ist aber nur dann möglich, wenn sich
das Virus verändert und dann von Mensch zu Mensch
weitergegeben werden kann. Ab diesem Augenblick spielen aber
unsere Mitmenschen die entscheidende Rolle als
Infektionsüberträger und nicht die Vögel. Weiterhin ist völlig
unklar, ob das H5N1-Virus überhaupt die Möglichkeit hat, sich
zum Pandemie-Erreger weiterzuentwickeln und im Moment handelt
es sich bei den Ausbrüchen nach wie vor um nichts weiter als
eine Geflügelkrankheit.
Überwiegend aus den
genannten wirtschaftlichen Gründen und zum Schutz der Vögel
selbst wurden von den Behörden auf Bundes- und Landesebene
verschiedene Reglementierungen zur Seuchenbekämpfung
getroffen, die unbedingt zu beachten sind. Nach wie vor haben
aber auch alle Jagd- und Naturschutzgesetze ihre volle
Gültigkeit und es ist weder gestattet, Nester geschützter
Vögel (beispielsweise von Schwalben oder Störchen) zu
zerstören noch Vögel selbst zu töten oder zu verletzen. Bei
streng geschützten und jagdbaren Vogelarten ist darüber hinaus
auch das Stören und Vertreiben wie bisher gesetzlich verboten.
Alle Menschen, die bisher am
Vogelgrippevirus erkrankt sind, hatten sehr engen Kontakt mit
erkranktem Hausgeflügel. Die Infektion eines Menschen über
Wildvögel wurde bisher nie nachgewiesen. Sie ist auch deswegen
unwahrscheinlich, weil der Kontakt mit Wildvögeln überhaupt
nicht so eng sein kann, wie mit Hausgeflügel – einzige
Ausnahme ist der intensive Umgang mit toten Wildvögeln bis hin
zu deren Verzehr ohne ausreichendes Erhitzen (mindestens 70°
C).
Als reine Vorsichtsmaßnahme
erscheint es derzeit sinnvoll, den Kontakt mit den beiden
Hauptrisikogruppen soweit möglich zu reduzieren. Hierzu
gehören Wasservögel (Enten, Gänse, Schwäne) und Vögel, die
sich von kranken oder toten Wasservögeln ernähren
(beispielsweise Möwen und einige Greifvogelarten). Das
bedeutet, dass man vorerst solche Vögel weder lebend noch tot
in die Hände nehmen sollte, wenn man keine entsprechende
Schutzkleidung trägt. Eine Annäherung stellt – soweit die
Vögel das überhaupt zulassen – überhaupt keine Gefahr dar.
Von Kleinvögeln, Tauben und
Störchen geht derzeit keine Gefahr aus. Zwar können alle
Vogelarten an Vogelgrippe erkranken, wie im Laborversuch bei
vielen Arten durch künstliche Infektion mit dem
Vogelgrippe-Erreger H5N1 gezeigt wurde, jedoch besteht nur für
wenige Arten das Risiko, dass sie im Freiland überhaupt mit
dem Virus in Kontakt kommen. Auch in den schweren
Ausbruchsgebieten in Südostasien erkranken längst nicht alle
Wildvögel im Umkreis der befallenen Vogelbestände. Schwer
betroffen sind bisher immer nur Schwäne, Enten oder Gänse.
Trotz umfangreicher
Untersuchungen wurde das H5N1-Vogelgrippevirus bisher nie in
einem Storch, einer Schwalbe oder einer Meise gefunden. Auch
unter den übrigen Singvogelarten traten bis auf ganz wenige
Ausnahmen bisher nie kranke Vögel auf. Unter den Ausnahmen
befinden sich vor allem Sperlinge und Stare, die im Umkreis
von Geflügelhaltungen mit massiven Vogelgrippeausbrüchen
gefunden wurden und die sich offensichtlich dort erst an
Hausgeflügel infiziert haben.
Von Tauben ist bekannt, dass
sie zwar auch am Vogelgrippevirus erkranken können und dann
vor allem über den Kot für eine bestimmte Zeit Viren
ausscheiden können, jedoch zeigte sich in Laborversuchen, dass
diese Mengen ausgeschiedener Vogelgrippeerreger nicht einmal
ausgereicht haben um empfindliche Hühner zu infizieren –
geschweige denn dass diese Dosis irgend eine Bedrohung für den
Menschen darstellen würde. Gleiches dürfte nach bisherigen
Berichten infizierter Wildvögel unter anderem auch für die
anderen Singvogelarten und den Storch gelten. Generell
scheiden befallene Wildvögel viel weniger Viren aus als
befallenes Hausgeflügel, so dass ihr Kot eine viel geringere
Infektionsgefahr birgt. Dennoch wäre es falsch, Vogelkot oder
auch Vogelfedern im Moment als generell ungefährlich zu
bezeichnen, denn selbst wenn von beiden keine ernstzunehmende
Infektionsgefahr für den Menschen ausgeht, so besteht doch
eine Infektionsgefahr für andere Vögel und damit die Gefahr
einer Ausbreitung der Seuche.
Trotz der
Vogelgrippemeldungen spricht also überhaupt nichts dagegen,
einen kühlen Kopf zu behalten und sich weiterhin
uneingeschränkt über die Vögel in unseren Gärten und Parks zu
freuen.
Quellen u.a.: Robert-Koch-Institut,
Friedrich-Löffler-Institut, Max-Planck-Institut für
Ornithologie, Europäische Union.
ViSdP Dr. Wolfgang Fiedler, Radolfzell
Weitere Informationen und Links zum Thema:
http://www.orn.mpg,.de/~vwrado
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