"vollust"-Schauspieler schicken "Mister Sonderbar" mit Esprit und Pfiff über
die Kotterhof-Bühne
Böhmfeld (sdr) Sie sind zwar Amateure, üben verschiedene
andere Berufe aus und besitzen erst eine kurze Schauspielerfahrung, aber sie
setzen sich in Szene wie Profis, für die Bühnenbretter die Welt bedeuten. Die
Rede ist von den Theaterleuten der erst seit wenigen Jahren bestehenden Gruppe "vollust"
aus Ingolstadt, die zurzeit den Kotterhof in Böhmfeld bevölkern und Christopher
Midges Kriminalkomödie "Mister Sonderbar" außerordentlich ausdrucksstark mit
viel Fingerspitzengefühl für Details auf die Bühne bringen. Nach den beiden
erfolgreichen Vorgängeraufführungen "Lady Windemere's Fächer" von Oskar Wilde
und "Liebe für Liebe" von William Congreve, ist es der hoch motivierten Truppe
gelungen, wiederum Theaterkunst vom Feinsten zu präsentieren. Und das Publikum
revanchiert sich mit begeisterten Beifallsstürmen. Die Brillanz jeder einzelnen
Rollenpersönlichkeit ist auch ein Verdienst der jungen Regisseurin Francesca
Pane, die das einzige Mitglied der Gruppe ist, das die Schauspielerei von der
Pike auf gelernt hat. Sie sei aber keine ausgebildete Theaterleiterin, betont
Pane. Während des Studiums habe sie sich zwar das Basiswissen dafür aneignen
können, die weitere Entwicklung dieser kreativen und verantwortungsvollen
Aufgabe aber anschließend selbst in die Hand genommen.
Von Anfang bis Ende interessant und amüsant, jedoch ohne auch nur ein bisschen
oberflächlich zu wirken ist die Inszenierung von "Mister Sonderbar", geeignet
wegen des klaren, übersichtlich strukturierten Ablaufs für Besucher jeden
Alters. Obwohl der Theaterabend erst gegen Mitternacht zu Ende geht, bleiben
auch Schulkinder ob der Faszination und Buntheit des Krimilustspiels hellwach
konzentriert, was bei den ersten beiden Vorstellungsterminen deutlich wurde.
Wer den Kotterhof-Stadel betritt, taucht ein in eine Kulisse, die die vornehme
Londoner Wohnart der fünfziger Jahre widerspiegelt. Man ist Zaungast bei der
uralten, angesehenen, vermögenden, ziemlich versnobten und mit schrulligen
Marotten reich gesegneten englischen Adelsfamilie Attingbrough samt
Hausbediensteten und lässt sich begleiten von der herrlichen Klaviermusik des
Pianisten Simon Bullmann, die es auf einer CD zu kaufen gibt. Gleich bei der
Begrüßung durch Stefan Mayer alias Bill Midges, Butler seiner Lordschaft, blitzt
die spitzbübische Schlitzohrigkeit des sonst eher unterwürfig einher eilenden
Hausdieners durch. Was dann folgt, ist ein meisterhaft drapiertes, pikant
gewürztes Spiel von vermeintlicher und echter Zuneigung, schroffer
Zurückweisung, berechnender Gerissenheit und Eindruck erheischendem
Hypochondertum, bis schließlich ein Mord passiert und Scotland-Yard sich
einschaltet. Für die Zuschauer setzt sich nun ein Dauerschmunzeln auslösendes
Handlungskarussell von Verwirrung stiftenden Verhören und Geständnissen in
Bewegung. Spannung pur nimmt die Theaterfans gefangen, wühlt sie aber nicht auf,
sondern sorgt für eine durchgehend lockere und vergnügliche Atmosphäre.
Kaum widerstehen kann man dem naiv verhangenen Schlafzimmerblick von Lord Percy
Attingbrough (Matthias Wachtfeitl), zart besaitetes Muttersöhnchen, notorischer
Glücksspieler mit unersättlichem Geldhunger und verkappter Frauenheld in einem.
Er kitzelt die Lachmuskeln selbst dann, wenn die ernsten bis tragischen Facetten
der Persönlichkeit zum Vorschein kommen und eigentlich Mitleid angesagt wäre.
Schwer zu schaffen macht ihm nicht nur seine adelige Verlobte, Lady Cynthia
Harrow (Ramona Stockmeier), weil sie zwar "fein und zauberhaft", aber für ihn "stickelangweilig"
ist, sondern vor allem das glamouröse, Männer bezirzende Tingeltangelmädchen
Constance de Sylvio (Martina Ruiz de Larrinaga). Dessen impulsiver Verlobter
Ibrahim Serafino, Besitzer des Striptease-Lokals "Sweety Horse", ist "eine
kleine Delikatesse aus dem Balkan". Die schillernde Südländermanier ist dem
Darsteller Marius Tajti passgenau auf den Leib geschneidert. Auch die selbst in
prekären Situationen stets auf edle Haltung bedachte Lady Attingbrough, "jeder
Zoll eine Dame" und dominante Mutter von Lord Percy, ist eine markante Figur und
bekommt ihre Ausstrahlung von Claude Schmidtner.
Eifrig laviert sich der agile, pfiffige, leicht obskure Oberinspektor von
Scotland-Yard namens Terence Fuller (Horst Förster) durch die Ermittlungsarbeit.
"Sonderbar" ist für ihn der Fall, und er wagt es sogar zu erzählen, dass sein
Beruf aus "Zufall, Dummheit und Glück" bestehe, ihm Kriminalistik überhaupt
nicht liege und er sich sein Wissen aus Fernsehkrimis hole, die er oftmals
sowieso verschlafe. Nach Kräften behilflich ist dem Oberinspektor Zögling Robert
Green, seines Zeichens gewiefter Inspektor des Morddezernats, meisterlich gemimt
von Dietmar Mommenday. Licht in das Krimidickicht könnte zwar der Vater der
kapriziösen Lady Cynthia, Lord Harrow (Alfred Zedelmaier), bringen, doch der
smarte Gentleman gibt schließlich nur weitere Rätsel auf. Geschickt mischen das
neugierige, katzenhafte Stubenmädchen Mabel Busterman (Gudrun Zöpfl), der
treuherzig dreinschauende, mit einer etwas langen Leitung geplagte Konstabler (Quirin
Stoll), der sachlich kühle Polizeiarzt Dr. Jones (David Bauer), Polizeifotograf
Hertens (Simon Bullmann) und der Bahrenträger Patrik (Maik Seefelt) mit, bis
schlussendlich ganz überraschend der gordische Knoten platzt und die Geschichte
ganz anderes ausgeht, als man vermutet hätte.
"Vorhang auf für Mister Sonderbar" heißt es im Kotterhof-Stadel in Böhmfeld noch
am Donnerstag, 25. Mai, am Freitag, 26. Mai, sowie am Samstag, 27. Mai. Beginn
der Vorstellung ist jeweils um 20.30 Uhr, Bewirtung ist ab 19.30 Uhr. Der
Eintritt kostet pro Person acht Euro. Für den Kartenvorverkauf sind die
Metzgerei Pauleser in Böhmfeld und das Lesecafe der Stadtbücherei Ingolstadt
zuständig. Vorabinformationen gibt es unter der Telefonnummer 0841/9517378.
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