Liebestaumel im Kotterhof: "vollust's" Amorpfeile löchern die Lachmuskeln
des Publikums
Böhmfeld, 29.04.05 (sdr) "Wunderschön! Optisch und
akustisch ein Leckerbissen! Die Rollen sind den Darstellern wie auf den Leib
geschneidert!" Ein begeistertes, hoch amüsiertes Publikum mischte sich nach
Beifallsstürmen in der Erstaufführung der schwungvollen Komödie "Liebe für
Liebe" im Kotterhof in Böhmfeld am Ende des Spektakels spontan unter die Akteure
der Theatergruppe "vollust" aus der Ingolstädter Kulturszene, um seine
Anerkennung persönlich auszudrücken. Und das bei nasskühler Witterung nach gut
drei Stunden im nicht beheizbaren Stadel, den man allerdings vor Beginn der
Vorstellung mittels Gasgebläsen vortemperiert hatte.
Im Sommer 2004 verwandelte das neu gegründete Theaterensemble den
bruchsteingemauerten Kotterhof-Stadel mit den Aufführungen zu "Lady Windermeres
Fächer" erstmals in eine prächtige Theaterbühne mit großer Anziehungskraft für
die Besucher. Schon damals war man überrascht von der Ausdruckskraft der
Laienspieler. Jetzt knüpft die selbstbewusste, facettenreiche Truppe unter
Leitung der Regisseurin Francesca Pane nicht nur an ihren vorigjährigen, von
Kritikern als fulminant beschriebenen Erfolg an, sondern zeigt eine deutliche
Steigerung ihres Könnens. "Liebe für Liebe" von dem englischen Dichter William
Congreve, einem Bindeglied zwischen William Shakespeare und Oscar Wilde, ist ein
Schaufenster zu einem irrwitzigen Liebeslabyrinth inmitten der feinen Londoner
Gesellschaft des ausgehenden 17. Jahrhunderts mit deutlichem Fingerzeig in die
Gegenwart.
Girlandenumwundene Holzsäulen, mit roten Samtvorhängen abgeschirmte "Gemächer"
im Parterre und auf der Empore sowie ein eleganter "Wintergarten" mit Ausgang
zum frühlingshaften Kotterhof-Garten bilden die reizvolle Kulisse, in der sich
Amors Pfeile unzählige Male verfangen. Eine Augenweide sind die kostbar
wirkenden Kostüme. Neu bei den insgesamt sechs Veranstaltungen im Stadel ist,
dass alle Gäste in der "ersten Reihe" sitzen, weil die Stuhlreihen auf
ansteigenden Podesten entlang der Naturstein-Längsmauern, die große Bühnenfläche
im Raumzentrum flankierend, angeordnet sind.
Wer mit wem? Wo und wann? Gibt's ein Happy End? Mächtig aufpassen müssen die
Zuschauer beim Verfolgen der Handlung, dass ihnen der Faden nicht entgleitet,
denn sie tauchen nach dem Motto "Einen leidenschaftlichen Liebhaber, der alle
fünf Sinne beisammen hat, gibt es nicht" ein in eine pikante Mixtur aus
komischer Tragik, frivolem Geplänkel, eitler Galanterie, rasender
Liebestollheit, heiklen Skandälchen und leidenschaftlichen Gefühlsstrudeln und
-entgleisungen, in der auch die Frauen mit ihren Liebesscharmützeln kräftig auf
die Pauke hauen.
Meisterhaft verstehen es der junge charmante Lebemann Valentine (Dietmar
Mommendey), dessen Hang zu fast krankhafter Übertreibung die Geschichte in der
zweiten Halbzeit auf die Spitze treibt, und seine große Liebe, die kluge,
kapriziöse Miss Angelica (Ramona Stockmeier), das Publikum in ihren Bann zu
ziehen. Valentines Vater, der reiche alternde Lüstling Sir Samson Legend (Horst
Förster), tut sein Übriges dazu und lässt sich zum Ergötzen der Zuschauer zu
absonderlichen späten "Frühlingsgefühlen" hinreißen. Seemann, Musiker, Sänger
und Naturbursche Benjamin (Uwe Pojda), behaftet mit einer notorischen Abneigung
gegen "jungfräuliche Gewässer", und der umtriebige Diener Jeremy (Marius Tajti)
mit dem ausgefeilten Organisationsinstinkt tragen wesentlich zum Pep des Stückes
bei.
An Quirligkeit kaum zu übertreffen ist der heißblütige Intrigenschmied,
Schönling und Frauenheld Tattle (Christian Hein), der zur Belustigung des
Publikums eine artistische Abseilnummer einfügen muss, um nicht in einem fremden
Ehebett erwischt zu werden. In Belehrsamkeit schwelgt der Zyniker Scandal
(Stefan Mayer), der ebenfalls auf dem Liebesparkett ausrutscht. Dominant,
scharfzüngig und besitzgierig stellt sich Mrs. Frail (Silke Weiß-Aziz) in den
Vordergrund, ohne jedoch ihre flatterhafte Schwester, Mrs. Foresight (Martina
Ruiz de Larrinaga), aus den Augen zu verlieren. Mit der Weisheit des Alters,
gebeugt und mit Krückstock, versucht der schrullige greise Astrologe Foresight
(Alfred Zedelmaier) Ordnung ins Chaos zu bringen und erheischt sich damit die
Sympathie der Zuschauerschaft. Miss Prue (Gudrun Zöpfl), seine Tochter aus
erster Ehe, wiederum besticht durch Liebreiz und Naivität, womit sie sich jedoch
in mancherlei Enttäuschungen hineinmanövriert. Ihre mit allen Wassern gewaschene
Amme (Claude Schmidtner) hingegen versucht, ihre altersbedingten Erfahrungen
geschickt in jungmädchenhafte Koketterie und französisch gefärbte
Zungenfertigkeit zu kleiden.
Ernst Reif spielt eine beachtliche Doppelrolle als beharrlicher Geldverleiher
Trapland sowie als behäbiger Advokat Buckram, die sich beide kurzzeitig wie ein
Damoklesschwert über dem Leichtfuß Valentine gebärden, und Josy Erates bringt
sich als Miss Angelicas geflissentliche Zofe ins Geschehen ein. Diener Robin
alias Matthias Wachtfeitl schließlich ist ein ausnehmend witziger Sonderfall
unter den Mimen. Er ist seiner Rolle anscheinend so sehr verhaftet, dass er - ob
seiner verinnerlichten übereifrig devoten Fortbewegungsweise - auch für
Gelächter unter den Zuschauern sorgt, wenn er nicht ins Spielgeschehen
involviert ist.
Wer sich das köstliche, emotionsgeladene Schauspiel nicht entgehen lassen
möchte, dem bietet sich noch vom 4. Mai bis einschließlich 6. Mai Gelegenheit
zum Theaterbesuch im Kotterhof. Die Vorstellungen beginnen jeweils um 19.30 Uhr.
Bewirtung ist ab 18.30 Uhr. Der Eintritt kostet einheitlich sieben Euro.
Text: Anneliese Siebendritt
Fotos: adamo
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