Spitzenkostbarkeiten aus Gold, Silber und Seide machten den Kotterhof
zum Schatzkästchen
Viele Besucher gingen staunend durch die Ausstellung des Kleinen
Klöppelclubs Beilngries
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Aufmerksam lauschten die Vernissagegäste mit
Bürgermeister Alfred Ostermeier (re.) den Ausführungen von Renate
Schödl (2. v. re.) zur Geschichte des Klöppelns. |
Böhmfeld (sdr, 28.05.05) "Für mich ist es
unvorstellbar, dass man so filigrane Sachen mit der Hand herstellen kann.
Diese hervorragende Handarbeitskunst für weltliche und religiöse Zwecke
darf nicht in Vergessenheit geraten. Deshalb ist es sehr erfreulich, dass
sie auch in der Region gepflegt wird." Große Bewunderung zollte
Bürgermeister Alfred Ostermeier den Frauen des Kleinen Klöppelclubs
Beilngries, die sich vor mehreren Jahren bei einem Klöppelkurs an der
Volkshochschule Beilngries zusammenfanden, sich seitdem einmal im Monat
zum Klöppeln und zum Erfahrungsaustausch treffen und kürzlich im Kotterhof
in Böhmfeld erstmals ihre selbst geschaffenen Kostbarkeiten aus Baumwolle,
Leinen, Seide, und Metallfäden unter dem Motto "Spitzfindigkeiten ..." der
Öffentlichkeit präsentierten.
Töpferarbeiten von Christa Hutzel (Böhmfeld) und geschmackvolle
floristische Kreationen von Anita Rauer (Böhmfeld) waren ebenfalls zu
bewundern. Als zusätzliches Schmankerl bei der Ausstellungseröffnung bot
der Elternbeirat des katholischen Kindergartens Sankt Marien im
Kotterhofstadel Kuchen und Getränke an. Die festliche musikalische
Umrahmung der Vernissage gestalteten mit Kompositionen von Johann
Sebastian Bach die Böhmfelder Querflötistinnen Marion Netter und
Ann-Kathrin Weyer sowie Joachim Stadlbauer am Klavier.
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Das Böhmfelder Wappen in Klöppeltechnik:
Sichtlich erfreut war Bürgermeister Alfred Ostermeier über das
Geschenk der Böhmfelder Hobbyklöpplerin Renate Schödl anlässlich der
Ausstellungseröffnung. |
Hobbyklöpplerin Renate Schödl (Böhmfeld) führte die
Vernissagegäste in die Geschichte des Klöppelns ein. Erstmalig erwähnt
habe man das Klöppeln im Jahre 1476, berichtete sie. Es begann mit
adretten gezackten und runden Kanten sowie mit Besatzspitzen zur
Befestigung der Ränder gewebter Stoffe. Später gesellte sich die
aufwändige und teure Nadelspitze hinzu, die sich nur betuchte Leute
leisten konnten. Erschwinglicher für die breite Bevölkerungsschicht sei
die aus Leinengarn gefertigte, waschbare Flechtspitze für Haushalts- und
Tischwäsche gewesen, eine neue Technik des Klöppelns, die heute noch
gebräuchlich sei, ließ Schödl wissen. Als Grundtechnik betrachte man das
ständig sich wiederholende Drehen und Kreuzen von Einzelfäden. Dies ergebe
einen stabilen Effekt. Die Spitzen werden benannt nach den Werkzeugen
Nadeln oder Klöppel, mit denen sie hergestellt werden, sowie nach den
Stilrichtungen in verschiedenen Regionen. Berühmtheiten sind die
Brüsseler, die Malteser, die Genueser, die ungarische und die
Chantilly-Spitze.
In der Frühzeit dominierten geometrische Muster,
gefolgt von floralen Gebilden und Blütengirlanden in Bänderspitzen.
Schließlich gefielen geklöppelte Netze als Hintergrund für die
fantasievollen Motive. Bei der Weltausstellung in London anno 1862
erschienen Klöppelspitzen in der so genannten dritten Dimension. Ende des
18. Jahrhunderts änderte sich die Mode, und Kleidung mit Spitzen war
verpönt. Erst im Jahr 1874 feierte die Klöppelspitze auf der
Weltausstellung ein großes Comeback. Um 1877 gründete man in Schneeberg
die königlich sächsische Spitzenklöppelschule und kreierte eine eigene
Stilrichtung, die "Schneeberger Spitze", die mit keiner Maschine
herzustellen ist. Bis zu 40.000 Heimarbeiterinnen waren um 1900 im
Erzgebirge und in Österreich mit Klöppelarbeiten beschäftigt. 1919
richtete man in Abenberg bei Roth in Mittelfranken eine Klöppelschule ein.
Auf dem Herstellungsprogramm standen damals schon Spitzen aus Metallfäden.
Heute befindet sich in Abenberg ein Klöppelmuseum. Da das Klöppeln immer
mehr Anhänger fand, gründete sich 1984 der Deutsche Klöppelverband. In
drei Jahren werde in Neumarkt wieder ein Klöppelkongress, eine Fachmesse
für Klöpplerinnen und Klöppler und solche, die es werden wollen,
stattfinden, kündigte Renate Schödl an.
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"Jede Fixiernadel hat ihren bestimmten Platz!"
Auch Bürgermeister Alfred Ostermeier mit Frau Jutta (re.) zeigte beim
Schauklöppeln großes Interesse. |
Fasziniert waren die Besucher der zweitägigen Ausstellung von der
Vielfalt der künstlerisch hochwertigen Objekte. Zu bewundern waren unter
anderem Deckchen im Schneeberger und Hardanger Stil, Kissenbezüge nach
Erzgebirgischer Art, Tischläufer in Durchbrucharbeit, Mureschka-, Occhi-,
Bänder-, Torchon-, Cluny-, Klapper-, Flecht-, Kirchen- und
Maschinenspitzen, zarte Klöppelgebilde für den Christbaum und den
Osterstrauß sowie für die ganzjährige Wand- und Wohnungsdekoration, Ajour-
und Kreuzstichstickerei. Eine Besonderheit war der von Renate Schödl
geklöppelte Erzengel Michael in moderner Variante. Imposante Blickfänge
waren der aus dem Jahr 1934 stammende, mit reicher Klöppelspitze
geschmückte Primizrock des vor wenigen Jahren verstorbenen Böhmfelder
Ehrenbürgers und langjährigen Pfarrers, Franz Xaver Federl, ein
spitzenbesetzter weißer Chorrock, ein Tüllschleier mit Flechthäkelmuster,
alte Häkel- und Klöppelspitzen sowie kostbare Leinenhandtücher mit
Strickspitze aus dem Fundus der früheren Böhmfelder Kindergärtnerin
Walburga Buchner.
"Klöppeln kann jeder lernen, der gerne handarbeitet.
In meinen Kursen gibt es auch junge Männer", lachte Brigitte Kern,
VHS-Kursleiterin und Mitglied des Deutschen Klöppelverbandes, beim
Schauklöppeln im Ausstellungsraum ob der staunenden Gesichter der
Zuschauer, als sie die Klöppel auf dem Klöppelsack um die Wette tanzen
ließ. Die dünnsten verwendeten Fäden seien fein wie ein Kopfhaar, klärte
die Klöppelmeisterin auf. Voraussetzung für das exakte Gelingen von
Klöppelarbeiten sei aber das genaue Beachten der Klöppelbriefe.
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Filigrane Ornamente fertigt Lydia Lange bei ihren
Klosterarbeiten. |
"Schönarbeiten nennt man wegen ihrer Farben- und Formenpracht die
Klosterarbeiten auch. Sie bestehen hauptsächlich aus echten Gold- und
Silberfäden sowie aus farbigen Glasschliffsteinen", informierte im
Gewölberaum Lydia Lange, VHS-Kursleiterin und Fachfrau für Klosterarbeiten
in "Eder-Technik". Man dürfe nicht annehmen, dass Klosterarbeiten mit
ihren vornehmlich christlichen Motiven nur von tiefgläubigen Menschen
angefertigt werden. Was zähle sei die Leidenschaft für diese prunkvollen
Raritäten und ihre besondere Herstellungsart, betonte Lange. Stolz zeigte
sie ein kindhaftes Exemplar des weltweit verehrten "Prager Jesulein" im
Prachtgewand mit Segenshand und Weltkugel, verschiedene Fatschnkindl,
sorgsam gebettet und eingewickelt in handgeklöppelte Gold- und
Silberspitzen, spitzenumflorte Haus- und Reisealtäre mit gleißendem Gold,
Silber und Strass sowie ein festlich verziertes, aufklappbares Ei als
Sinnbild für Fruchtbarkeit und Auferstehung.
Inmitten von Weihwasserkesseln im edlen Klosterarbeitsstil und
Rosenkranzspitzen umfangenen Heiligen- und Hochzeitsbildern arbeiteten
Monika Lindner und Thekla Pscherrer mit viel Geduld und Geschick an ihren
eigenen Schöpfungen und boten so den Zuschauern Einblick in die
Komplexität dieses außergewöhnlichen und verhältnismäßig selten
praktizierten Kunsthandwerks.
(Text: A. Siebendritt; Fotos: adamo) Klicken Sie die Bilder zum Vergrößern an. |