 Norbert Kuntz


Professor Dr. theol. Ernst Feil


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Böhmfeld, 14.11.2005 (sdr) "Die vielen
Zuhörer widerlegen die allgemein gehegte Vermutung, dass
wissenschaftliche Themen wenig Anklang finden", freute sich
Norbert Kuntz von der "Gemeinschaft katholischer Männer und Frauen
Eichstätt" im Kotterhof in Böhmfeld. Die Organisation hatte zum
Vortrag "Dietrich Bonhoeffer und seine Impulse für die Ökumene",
der auch die Widerstandstätigkeit des evangelischen Theologen
gegen das Hitlerregime beinhaltete, mit sichtlich großem Erfolg
eingeladen. Fast wie im Auditorium einer theologischen Fakultät
konnten sich die Besucher fühlen angesichts des interessanten und
hochkarätigen Referates von Professor Dr. theol. Ernst Feil
(München), der am Lehrstuhl für Religionslehre und -pädagogik der
Ludwig-Maximilian-Universität München und weit darüber hinaus
bekannt ist als renommierter Theologiewissenschaftler für
Dogmengeschichte, Religionsphilosophie und systematische
Moraltheologie.
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Theologische "Vorlesung" im
Sitzungssaal im Kotterhof: Für viele Besucher war die
anspruchsvolle Vortragsweise von Professor Dr. theol. Ernst
Feil eine außergewöhnliche Erfahrung. (Foto: adamo) |
"Als lebendiger Katholik war ich bereits
während meiner Studienzeit Ende der fünfziger Jahre in die damals
noch zögerlichen Anfänge der ökumenischen Tätigkeiten zwischen
katholischen und evangelischen Kommilitonen involviert", gab
Professor Feil zu verstehen. Anfang der sechziger Jahre habe er
seine Dissertation über den evangelischen Theologen Dietrich
Bonhoeffer verfasst.
Der von dem evangelischen Professor Dr. theol. Dietrich Bonhoeffer
merklich faszinierte katholische Theologe Ernst Feil schilderte
seinen protestantischen Amtskollegen in memoriam, den die Nazis
neununddreißigjährig am 9. April 1945 im Konzentrationslager
Flossenbürg ermordeten, als unerschütterlichen, mutigen,
geradlinigen, aber auch streitbaren und unbequemen Gottesmann.
Bonhoeffer habe lange vor der Existenz des Weltkirchenrates die
Theorie der Ökumene mit Überzeugungskraft international in die
Praxis umzusetzen versucht.
Geboren 1906 in Breslau und aufgewachsen in einem intellektuellen,
protestantisch ausgerichteten, konfessionell jedoch neutralen
Elternhaus mit "wenig Ambitionen auf einen regelmäßigen
Kirchgang", habe der intelligente Sohn des Professors für
Psychiatrie und Neurologie und späteren Leiters der bekannten
Berliner Charité, Karl Bonhoeffer eine glänzende und
zeitrafferartige Schul- und Studienlaufbahn absolviert:
Theologische Fakultäten in Tübingen, Rom und Berlin waren seine
Studienorte. Er promovierte mit 21 und habilitierte mit erst 24
Jahren, war Vikar in Barcelona und erweiterte seinen Studien- und
Wirkungskreis in die USA und nach Großbritannien.
Prägend gewesen für Dietrich Bonhoeffers ungewöhnlichen und
Aufsehen erregenden persönlichen und beruflichen Werdegang seien,
so Professor Feil, die Begegnungen mit dem bedeutendsten
evangelischen Theologen seiner Zeit, Karl Barth, und mit einem
französischen Studienkollegen Bonhoeffers, der ihn mit dem
Pazifismus, basierend auf dem Friedensgebot der biblischen
Bergpredigt, konfrontiert habe. Vorbild gewesen sei für ihn, der
fortan die Botschaft der Bergpredigt als Richtschnur betrachtet
habe, auch der indische Politiker und gewaltfreie
Widerstandskämpfer Mahatma Gandhi. Seine internationalen Kontakte
führten Dietrich Bonhoeffer 1931 zur Konferenz des Weltbundes
christlicher Studenten in Cambridge, wo man ihn zum Jugendsekretär
wählte. Als Leiter der deutschen Jugenddelegation nahm der
engagierte, welt- und konfessionsoffene Theologe 1934 an der
ökumenischen Tagung in Dänemark teil und warnte in seiner
"Friedensrede" vor der drohenden Kriegsgefahr.
Ab 1933 habe Dietrich Bonhoeffer an verschiedenen internationalen
kirchlichen und ökumenischen Konferenzen teilgenommen und
fortwährend - auch bei seinen Auslandsaufenthalten - ökumenische
Kontakte gepflegt, berichtete der Theologieprofessor. Nach
teilweise vergeblichen Versuchen, der "Bekennenden Kirche", die
sich von der von den Nazis gelenkten deutschchristlichen
"Reichskirche" abgespaltet hatte, zur Anerkennung durch die
Ökumene zu verhelfen, und nach dem Entzug der Lehrbefugnis durch
die Nazis konnte Bonhoeffer 1938 zum letzten Mal an einer
ökumenischen Konferenz in London teilnehmen. Obwohl er sich des
Risikos christlichen Bekennens im Nationalsozialismus bewusst war,
lehnte er 1939 bei einem USA-Aufenthalt gemäß seiner Überzeugung
"Wenn es Krieg gibt, muss ich in Deutschland sein" eine Berufung
dorthin ab. Ab jetzt beteiligte sich Bonhoeffer, den man mit
striktem Rede- und Schreibverbot belegt hatte, aktiv am Widerstand
gegen das Hitler-Regime und knüpfte mit Hilfe seiner ökumenischen
Kontakte Verbindungen zwischen den westlichen Regierungen und dem
deutschen Widerstand. Erst nach dem gescheiterten Attentat auf
Hitler am 20. Juli 1944 gelang es der Gestapo, dem unerschrockenen
und zum Wohle seines Heimatlandes mit Hilfe von Verwandten und
prominenten Freunden klug im Untergrund agierenden Theologen, der
schon Verhaftung durch die Gestapo und einige Jahre Gefängnis- und
Konzentrationslageraufenthalte hinter sich gebracht hatte, eine
Widerstandstätigkeit nachzuweisen.
"Bonhoeffer hielt es für falsch, sich aus Glaubensgründen von der
Welt abzuschotten oder sich gemäß dem Motto "Not lehrt beten" zu
verhalten. Für ihn war Gott stetig präsent, eine lebendige Kirche
nicht abgegrenzt, sondern mitten im Dorf und die Botschaft Gottes
keine Bedrohung und Einengung, sondern Befreiung", gab Professor
Feil zu verstehen. Mitmenschlichkeit sei für den nimmermüden
Pfarrer die Verbindung zu Gott gewesen. Der überzeugte
evangelisch-lutherische Christ sei auch von Rom und den
katholischen Ordensleuten tief beeindruckt gewesen. Gleichermaßen
habe er das Judentum in Schutz genommen. In der Ökumene, die in
jüngerer Zeit, so die Meinung des katholischen Theologieprofessors
Feil, leider etwas mit "Raureif" behaftet sei, habe Dietrich
Bonhoeffer keine Zweckorganisation gesehen, sondern eine
unerlässliche und notwendige Weltbewegung im Sinne Jesu Christi.
Als "Lernender in Sachen Ökumene", der sich im Winter 1940/41 mit
dem ebenfalls von den Nazis verfolgten katholischen Pater und
Widerständler Rupert Mayer im Kloster Ettal traf und austauschte,
verwies er auf die Einheit von katholischer und evangelischer
Kirche im Glauben und in der Taufe.
Selbst die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) habe erst Jahre
nach dem Tod Dietrich Bonhoeffers zur gebührenden Beachtung seiner
hohen Verdienste gefunden, bedauerte Professor Feil. Im Jahre 2000
veröffentliche die katholische Kirche ein Märtyrerverzeichnis für
den deutschen Sprachraum, in dem auch Bonhoeffer als
"Nichtkatholik in ökumenischen Gruppen" aufgeführt ist.
"Viel habe ich bei dem Vortrag gelernt, und ich bin sehr
überrascht, dass ein Katholik so innig vertraut ist mit der
evangelischen Seite", drückte ein offensichtlich fachkundiger
Besucher seine Anerkennung aus. Mit "Ich hätte keine Angst damit,
der Glaube ist ein weites Feld" bestätigte Ernst Feil die Ansicht
eines weiteren Zuhörers, dass jeder Christ entscheiden dürfen
sollte, wie er seine religiöses Denken und Handeln unabhängig von
kirchlichen Institutionen, Bischöfen und Pfarrern definiere.
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