Traudl Brunnquells Farben-, Formen- und Ideenflut sprengt Kotterhof
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Traudl Adam-Brunnquell erläutert ihre Bilder
bei der Vernissage im Kotterhof Böhmfeld.
(Anklicken der Bilder für Vergrößerung) |
Böhmfeld (sdr, 30.04.04) "Hint' und vorn', ob'n und
unt', drunter und drüber, kreuz und quer" in allen Stilrichtungen,
Techniken und Farben. Von der subtilen Radierung über farbige Skizzen zu
leidenschaftlichem Tanz, glänzenden Ideen in Aquarell und prickelnder
Erotik auf Scheiben bis hin zu großformatigen kraftstrotzenden
Acrylfarben-Kompositionen und zu verspielten und doch sehr zweckmäßigen
Leuchteninspirationen, die Herz und Sinne erobern. Die Augen gehen auf die
Reise, eilen den Beinen voraus, schweifen von Motiv zu Motiv, weiten sich
und erfassen allzu Menschliches, ruhen sich aus auf üppigen Farbpolstern
und harmonischen Formen, strahlen verzückt über Zartheit und Filigranität,
können die Flut an Perfektion und Aussagekraft kaum fassen und doch nicht
satt werden. Auch in den Händen beginnt es zu kribbeln. "Rühr' mich nicht
an!" Zwei überlebensgroße bunt bemalte Hampelmänner und eine Hampelfrau
laden ein zu fast frivolem Spiel.
Mit ihrer Kunstausstellung, einem Querschnitt durch
ihr voluminöses Schaffen von der Malerei bis zum Leuchten-Design, setzt
die Ingolstädter Künstlerin Traudl Adam-Brunnquell einen Meilenstein in
der Veranstaltungsgeschichte des Kotterhofes in Böhmfeld. Die
Retrospektive der 85-jährigen Malerin und Designerin mit dem Esprit einer
Vierzigjährigen, präsentiert im Sitzungssaal, im Veranstaltungsraum, im
Gewölberaum, in den Fluren und im Stadel, ist nicht nur eine besondere
Ehre für das Dorf, sondern vor allem ein einzigartiges Erlebnis für die
Betrachter.
Traudl Adam-Brunnquell, geboren und aufgewachsen und
im Krieg als technische Zeichnerin tätig in München, war Meisterschülerin
von Professor Fritz Itzinger (Wien). Von 1961 bis 1979 managte sie die
Designabteilung der Firma ihres Mannes Heinz Brunnquell in Ingolstadt. Die
von ihr entworfenen Wohnraumleuchten aus Keramik und Porzellan,
vornehmlich in Kugel- und Würfelform und in kräftigen Farben, fanden
Absatz in der ganzen Welt. 1978 eröffnete Traudl Adam-Brunnquell in Tel
Aviv in Israel ein Leuchtengeschäft nur für ihre Wohnlampen. Zwei Jahre
später wurde die Firma übergeben, und Traudl Adam-Brunnquell startete ihre
Karriere als eine der herausragenden Malerinnen des 20. Jahrhunderts.
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Stürmischer Applaus nach der Laudatio: Dr.
Siegfried Hofmann (stehend), Kulturreferent a. D. der Stadt
Ingolstadt, gratulierte Traudl Adam-Brunnquell (6. v. re.) zu ihrer
außergewöhnlichen Ausstellung. Im Vordergrund Bürgermeister Alfred
Ostermeier (4. v. re.). |
Erschöpft war die Raumkapazität im Sitzungssaal bei
der Vernissage durch die große Anzahl der Gäste, die Traudl
Adam-Brunnquell mit reichlich Applaus bedachten. Feierliche Blasmusik,
gespielt von den "Eichiner Buam" aus Eichstätt unter Leitung von Herbert
F. Mayer, untermalte die festliche Stimmung.
"Der Name Brunnquell weckt in vielen älteren
Böhmfelder Bürgern schöne Erinnerungen", machte Bürgermeister Alfred
Ostermeier in seiner Begrüßungsrede deutlich, die ein "tolles Lob für die
Künstlerin" beinhaltete. Heinz und Traudl Brunnquell seien von 1960 bis
1998 Jagdpächter und Jagdherrin in Böhmfeld gewesen, unterhielten 20 Jahre
lang im Dorf einen Produktionsbetrieb mit Arbeitsplätzen für Ortsansässige
und ließen auch danach die Kontakte nie abreißen. Sie unterstützten zudem
Einzelne und Vereine und bereicherten das Dorfleben durch ihre
Geselligkeit. Schmunzelnd bemerkte der Bürgermeister, dass auch junge
Böhmfelder von Traudl Adam-Brunnquells Werken begeistert seien und dies
mit ihrem für ihre Altersstufe recht eindrucksvollen Urteil "De Buidl san
echt geil!" kundtaten. Die 14- bis 16-Jährigen seien anlässlich einer
Vorbereitungszusammenkunft für "Jugend ist mehr" im Kotterhof zufällig mit
der im Werden begriffenen Ausstellung in Berührung gekommen und haben
somit generationsübergreifende Anerkennung dokumentiert.
"Mit Sicherheit ist dies eine der ungewöhnlichsten
Ausstellungen der letzten Jahre", schwärmte Dr. Siegfried Hofmann,
Kulturreferent a. D. der Stadt Ingolstadt. Sie sprenge alle Vorstellungen,
was in Kunstausstellungen möglich sei, und werfe trotzdem nur ein
Streiflicht auf das rund dreißigjährige künstlerische Schaffen von Traudl
Adam-Brunnquell, die quicklebendig, humorvoll, witzig bis frech, als
Künstlerin ein Vulkan, aber gleichzeitig ein verantwortungsvoller,
nachdenklicher und warmherziger Mensch sei. Aus ihrem reichen Fundus habe
die Malerin Bilder aller Art über die Wände des "charakterstarken
Komplexes Kotterhof" gestreut.
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Die vielen Bilder der Künstlerin im
Kotterhof-Stadel zogen bewundernde Blicke der Vernissage-Gäste auf
sich. |
Als Spross einer bedeutenden Münchener Malerfamilie
mit ihrem berühmten Mitglied Albrecht Adam liege Traudl Adam-Brunnquell
das Malen und Gestalten im Blut, betonte Dr. Hofmann. Sie lasse sich in
keine künstlerische Richtung zwängen, unterwerfe sich keinen Modetrends,
strebe nach Vollkommenheit und Transzendenz. Verwirrend sei die Vielfalt
und Vielgestaltigkeit ihrer Werke. Ihre Landschaften, unter anderem aus
dem Raum Neuburg, aus Grünau in Tirol, aus dem Tessin und von einer
Mittelmeerreise, stünden in vorderster Reihe der Aquarellkunst des 20.
Jahrhunderts. Im Strudel des sich selbst Erspürens, des sich Verlierens
und sich Findens bewege sich die Künstlerin, so der Experte, zwischen
Enthusiastischem, Spontanem und gleichzeitig Bewusstem, zwischen
Surrealem, Lapidarem, Verschmitztem und Ironischem bis hinüber zur
Persiflage. Ein Kaleidoskop der Welt, der Individuen und Charaktere sowie
Sinnbilder der Menschen - "weit mehr als nur Fleisch" - seien die
unzähligen Aktdarstellungen und Porträts, rühmte Dr. Hofmann. Jede Gruppe
könnte in verschiedenen Ausstellungen zu Hause sein. Von "unglaublicher
Schönheit" sei auch die von Traudl Adam-Brunnquell gestaltete Innenmalerei
der von dem 1998 verstorbenen Ehemann der Künstlerin errichteten
Franziskuskapelle in Tirol, gezeigt auf Bildern im Ausstellungsraum des
Kotterhofes.
Den Ausstellungsbesuchern gibt Dr. Hofmann an die
Hand: "Die Ausstellung von Traudl Adam-Brunnquell ist eine Herausforderung
für die Betrachter. Ein schneller Durchgang ist nicht möglich. Man sollte
geruhsam von Wand zu Wand wandern und jedes Werk mit Muse als
Einzigartigkeit betrachten."
Die Ausstellung ist noch bis 31. Mai 2004 geöffnet,
jeweils samstags und sonntags und am Pfingst-Montag von 14 bis 17 Uhr.
(Text: A. Siebendritt; Fotos: adamo) |