Böhmfeld online

Bericht zur Lesung im Kotterhof

Sa., 11.10.03, 17 Uhr

Klaus Gültig:

"War Marieluise Fleißer je in Böhmfeld ?"

     

 

Eine Auswahl von Texten der Fleißer
gelesen von ihrem Neffen, Klaus Gültig.

Unter dem Motto "War Marieluise Fleißer je in Böhmfeld?" steht die Lesung am Samstag, 11. Oktober, um 17 Uhr. Fleißer ist eine der herausragenden Schriftstellerinnen, die es in ihrer Heimat wieder zu entdecken gilt. Klaus Gültig, Marieluise Fleißers Neffe, der das literarische Erbe in besonderer Weise pflegt, wird eine Auswahl von Texten vorstellen.

Unterstützt wird die Veranstaltung von der Fleißer-Gesellschaft Ingolstadt.

 

     

"Das erinnert mich an meinen Onkel!" - Die Fleißer auf Tuchfühlung mit Kotterhof-Publikum

Fleißer-Neffe Klaus Gültig las in Böhmfeld aus dem Roman "Eine Zierde für den Verein"

Böhmfeld (sdr) "War Marieluise Fleißer je in Böhmfeld?" Das Motto der Lesung im Kotterhof in Böhmfeld mit dem Neffen der Fleißer, Klaus Gültig, der das literarische Erbe seiner Tante in besonderer Weise pflegt, machte nicht nur Ortsansässige neugierig. Von der zahlreich erschienenen Zuhörerschaft angetan zeigte sich auch Bürgermeister Alfred Ostermeier, der Marieluise Fleißer als "die bedeutendste Schriftstellerin im Raum Ingolstadt mit großer überregionaler Bedeutung" bezeichnete. Die Frühzeit der Schriftstellerin, ihr Aufenthalt in Berlin und ihre Rückkehr nach Ingolstadt spiegelten sich in den Werken der Ingolstädter Malerin und Objektkünstlerin Gerda Biernath wider, machte Ostermeier eingangs auf Biernaths Zyklus "Fleißer - eine Dokumentation" aufmerksam. Die Lesung fand im Rahmen der Ausstellung "Bilder - Objekte - Fundstücke" der Ingolstädter Künstlerin im Kotterhof statt.

"Ich glaube schon, dass meine Tante in Böhmfeld war", mutmaßte Klaus Gültig. Eine Postkarte vom 6. April 1945 von ihr an ihre Schwester, in der sie berichte, dass sie den Weg von Kipfenberg aus über Etting nach Ingolstadt zu Fuß zurückgelegt habe, untermauere diese Ansicht. Zudem habe sie ihren 1958 verstorbenen Ehemann, einen Tabakwarenhändler, der nebenbei noch ein sehr erfolgreicher Schwimmsportler gewesen sei, in geschäftlichen Angelegenheiten nach Kräften unterstützt, was für sie auch bedeutet habe, in den umliegenden Ortschaften beim Auffüllen der Zigarettenautomaten zu helfen und mit ihm "mit der Kundschaft zu trinken".

Bewunderung und Respekt zollte Gültig seiner berühmten Tante in der Zusammenfassung ihrer Biografie: Im Jahre 1901 geboren, sei sie eines der wenigen Mädchen ihrer Zeit gewesen, denen Abitur und Studium offen standen; zunächst als Klosterschülerin in Regensburg, später als Studentin in München, wo sie zwar interessante Leute wie Feuchtwanger und Brecht kennen lernte, aber auch infolge der Weltwirtschaftskrise Hunger leiden musste. Fleißers erster bahnbrechender literarischer Erfolg, so der Neffe, sie das Theaterstück "Pioniere in Ingolstadt" gewesen. Als junge Dramatikerin habe sie in den späten zwanziger Jahren in Berlin unter dem Einfluss von Brecht für Aufsehen gesorgt, Erzählungen und dann einen Roman geschrieben. Die schwere Zeit der Naziherrschaft und private Probleme ließen Fleißers schriftstellerische Schaffenskraft erlahmen. Nach ihrer Rückkehr nach Ingolstadt im Jahre 1932 heiratete sie, was ihrem dichterischen Elan wiederum nicht förderlich war. "Sie nahm ihre hausfraulichen Pflichten so ernst, dass sie allein über das Wäschewaschen eine ganze Seite geschrieben hat", gab Gültig zu verstehen. Erst nach dem Tode ihres Gatten habe sie in den sechziger Jahren wieder eine kreative Schaffensphase erlebt und Erfolg geerntet. Junge Autoren des neuen Realismus beriefen sich nun auf sie und förderten ihr Werk.

"Wenn Bücher da sind, gibt es einem Halt", fühlte sich Marieluise Fleißer bestärkt, als 1971 ihre "Gesammelten Werke" herausgegeben wurden. Am 2. Februar 1974 starb die Schriftstellerin, die heute zu den großen Frauengestalten der deutschen Literaturgeschichte im 20. Jahrhundert zählt, ganz unerwartet im Krankenhaus in Ingolstadt. Der nach ihr benannte Literaturpreis, 1981 von der Stadt Ingolstadt gestiftet, hat inzwischen Renommee. Die "Marieluise-Fleißer-Gesellschaft e. V." wurde am 23. November 1996 in Ingolstadt gegründet. Namhafte Persönlichkeiten und auch die Stadt Ingolstadt traten ihr bei. Willkommen seien stets neue Mitglieder, die das Anliegen unterstützen, dass die bedeutende Dichterin mit ihrem spezifisch bayerischen Beitrag zur Weltliteratur über die modischen Trends des Kulturbetriebs hinweg den ihr gebührenden Platz im Theater, auf dem Buchmarkt, in der Forschung und in den Schulen behält, betonte der Fleißer-Neffe.

Die wichtigsten Werke der Fleißer sind die Theaterstücke "Fegefeuer in Ingolstadt", "Pioniere in Ingolstadt" und "Der starke Stamm", die Erzählungen "Ein Pfund Orangen", "Andorranische Abenteuer", "Avantgarde" und "Abenteuer aus dem Englischen Garten" sowie der Roman "Eine Zierde für den Verein (Mehlreisende Frieda Geier)".

Eindrucksvolle Kostenproben der ebenso handfesten und waschechten wie anschaulichen sowie ungemein facettenreichen und dabei einfühlsamen Sprache, mit der die Schriftstellerin die Schlüsselfiguren Frieda Geier und "Schwimm-Gustl" in den Mittelpunkt rückte und selbst zu Wort kommen ließ, bot Klaus Gültig seinem Publikum mit Passagen aus dem Roman "Eine Zierde für den Verein (Mehlreisende Frieda Geier)". Angesichts des meisterlichen Umgangs der Dichterin auch mit launiger bis deftiger Bildhaftigkeit, blieb es nicht lange beim fast andächtigen Lauschen. Die erfrischend freche Handlungs- und Ausdrucksweise mit typisch bayerischer Würze reizte die Zuhörerschaft zum Schmunzeln und verhaltenen Lachen. Wie punktgenau Marieluise Fleißer den Nagel auf den Kopf zu treffen vermag, zeigte der spontane Beitrag eines Besuchers: "Das erinnert mich an meinen Onkel. Nur kann sich der nicht so gut ausdrücken."

Die Kunstausstellung "Bilder - Objekte - Fundstücke" von Gerda Biernath im Kotterhof ist noch geöffnet bis einschließlich Sonntag, 19. Oktober; samstags und sonntags jeweils von 14 bis 17 Uhr.

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"Wie der Schwimm-Gustl in der Antoniusschwaige eine Rauferei anzettelte": Klaus Gültig zog im Sitzungssaal des Kotterhofs die Zuhörerschaft in den Bann seiner berühmten Tante Marieluise Fleißer.

Fotos: adamo

 

Kunstausstellung im Kotterhof

Gerda Biernath

BILDER - OBJEKTE - FUNDSTÜCKE

 

 

So. 21.09.03

Sa. 11.10.03
So. 12.10.03
Sa. 27.09.03
So. 28.09.03
Sa. 18.10.03
So. 19.10.03
Sa. 04.10.03
So. 05.10.03
 

im  Kotterhof Böhmfeld  Hofstetter Straße 3
 

Die Ausstellungsreihe "Kunst im Kotterhof" setzt die Ingolstädter Malerin und Objektkünstlerin Gerda Biernath fort mit Bildern, Objekten und Fundstücken.

Biernath zeigt eine Auswahl von Arbeiten der letzten drei Jahre: aus dem Zyklus "Fleißer - eine Dokumentation" mit einer Annäherung an die Schriftstellerin, aus den so genannten "Säulenbildern" mit votivartigen Motiven sowie bearbeitete, jahrhundertealte, nicht mehr verwendbare Bodenbretter aus Altstadthäusern. Der Kotterhof in Böhmfeld sei als sensibel saniertes altes Anwesen gerade für diese in die Geschichte gehenden Bilder und "Fundstücke" hervorragend geeignet, meint die Künstlerin.

Eröffnet wird die Ausstellung am Samstag, 20. September, um 18 Uhr. Die Begrüßungsrede hält Bürgermeister Alfred Ostermeier, einführende Worte spricht MdL Dr. Manfred Schuhmann.

(sdr)

 

 
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        © 2003; AdamO
Stand: 22. Oktober 2003